Starlinger intern, 2024/01 - Ausgabe 36
KUNSTSTOFF UND SEINE ALTERNATIVEN SIND SIE WIRKLICH UMWELTFREUNDLICHER?
Eintrag von Kunststoff in die Natur zu verhindern muss oberste Priorität haben. Zudem brauchen wir funktionierende Sammel systeme, damit der Wertstoff Kunststoff nicht nur einmal, sondern mehrmals genutzt werden kann. Der sparsame Um gang mit den natürlichen Ressourcen ist einer der wichtigsten Instrumente, um zukünftigen Generationen eine lebenswerte Welt zu sichern.
Kaum ein Wertstoff wird in den Medien so scharf kritisiert wie Kunststoff. Fast täglich erreichen uns alarmierende Bilder: Gigantische Mengen an Müll lagern weltweit auf Deponien, tote Fische stranden auf zugemüllten Stränden. Schuld an all dem: Plastik. Diese einseitige Berichterstattung führt zu einer verzerrten Wahrnehmung in der Bevölkerung. Denn darüber, dass auf den Deponien ebenfalls riesige Mengen an Textilien, Glas, Metallen, Bauschutt oder Chemikalien landen, Fische durch giftige Abwässer und die Erwärmung der Ozeane verenden, und viele beliebte Urlaubsdestinationen kein funktionierendes Ab fallmanagement haben, wird deutlich weniger berichtet. Nicht Plastik ist das Problem: Es ist unser Umgang damit. Der Werkstoff Kunststoff ist eigentlich eine tolle Sache. Er ist fast unbegrenzt formbar, bruchfest, leicht und transparent. Je nach Bedarf ist er hart, biegsam oder spröde und zugleich immun gegen Hitze, Licht und Witterung. Das macht Kunststoff zum optimalen Material – nicht nur für Verpackungen, sondern für viele andere Anwendungsbereiche wie z.B. die Medizin oder die Fahrzeugindustrie. Aus unserer modernen Welt ist er also nicht mehr wegzudenken. Die globale Kunststoffproduk tion steigt seit Jahrzehnten kontinuierlich an; waren es in den 1950ern noch jährlich 1,5 Millionen Tonnen, kommen wir heute auf 350 Millionen Tonnen pro Jahr. Etwa 36 % davon werden zu Verpackungen, 16 % gehen in den Baubereich, 14 % in die Textilproduktion, 7 – 8 % in die Autoindustrie. Längst bestehen Flugzeuge und Autos mindestens zur Hälfte aus Kunststoff. 1 Eine differenzierte Betrachtung zeigt: Kunststoff besitzt viele gute Eigenschaften, die ihn bei richtiger Anwendung zur um weltfreundlichen Alternative machen können. Kunststoffe sind weder gut noch schlecht: Sie haben Vor- und Nachteile. Eindeutige Vorteile von Kunststoffen. Sie sind sehr flexibel und formbar. Außerdem sind sie leicht, kostengünstig und widerstandsfähig. Diese Widerstandsfähigkeit wird jedoch zum Nachteil, wenn das Material in die Umwelt gelangt: Bis sich Kunststoff völlig zersetzt, können mehrere hundert Jahre vergehen. Dass Kunststoff in der Umwelt landet, passiert leider täglich. Die größte Müllhalde der Welt ist dabei das Meer. Viele Plastikteile landen im Magen der Meeresbewohner, binden sich an Algen oder zersetzen sich zu Mikroplastik. Deshalb gilt: Den VOR- UND NACHTEILE VON KUNSTSTOFFEN
PAPIER STATT KUNSTSTOFF? NICHT IMMER SINNVOLL
Kunststoffverpackungen werden von Unternehmen, die sich als besonders nachhaltig und umweltfreundlich darstellen wollen, gern durch alternative Materialien wie Papier und Glas ersetzt, die — so wird es suggeriert — ökologischer seien. Das ist in vielen Fällen ein Trugschluss. Eine Studie 2 der deutschen GVM Gesellschaft für Verpackungs marktforschung mbH aus dem Jahr 2023 stellte fest, dass die Materialeffizienz (das Verhältnis des Verpackungsgewichts zum Gewicht des verpackten Inhalts) von Kunststoffen doppelt so gut ist wie jene von Papier, und sogar um das 22-fache besser als Glas (vgl. Grafik 1). 3
MATERIALEFFIZIENZ UNTERSCHIEDLICHER PACKSTOFFE IN g/kg VERPACKTES PRODUKT IM VERGLEICH
45
Aluminium Eisenmetalle Kunststoff PPK Glas
114
24
51
572
0
100
200
300
400
500
600
700
Grafik 1: Die Materialeffizienz von Kunststoff ist doppelt so gut wie die von Papier. Nimmt man PET-Flaschen statt Glasflaschen, ist sie sogar um das 22-fache besser. © GVM
Außerdem wurde untersucht, wie es sich auf den Materialver brauch und somit auch auf das Abfallaufkommen auswirkt, wenn ein Teil der Kunststoffverpackungen durch Glas, Papier/ Pappe/Karton, sowie Verpackungen aus Eisenmetallen und Alu minium ersetzt wird. Die Ergebnisse zeigen, dass das in Haus halten anfallende Verpackungsaufkommen bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen um 18 % steigt, wenn zum Beispiel 10 %
1 N.N. (13.06.2024). Ist Plastik doch gut? Was Kunststoff der Umwelt bringt. Werner & Mertz GmbH. https://initiative-frosch.de/ist-plastik-doch-gut-was-kunststoff-der-umwelt-bringt/
2 N.N. (Mai 2023). Materialeffizienz von Packstoffen im Vergleich. GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, im Auftrag der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V., Mainz, 3 Ibid., S. 11
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